2017

an diesem Ort_ die Ungewissheit bestimmt den Aufenthalt

Fotografie // Projektion // Video // Installation // Ton

Ausstellung

Die Ausstellung an diesem Ort_ die Ungewissheit bestimmt den Aufenthalt stellt sich dem Thema Heimat aus aktuellem politischen Anlass. Im Focus steht die prekäre Aufenthaltssituation von Geflüchteten in Deutschland. Die fotografischen und filmischen Projekte nähern sich dem Thema über den Begriff des Ortes, verstanden als temporäre Übergangsituation, die Werke syrischer Künstler, indem sie in künstlerischen Werken einen Einblick über ihre aktuelle Lebenssituation geben. Ihre Ausdrucksweise manifestiert sich vor in Gemälden, Grafiken, Filmen und Skulpturen.

So versucht die Ausstellung in zweifacher Weise gesellschaftliche Entwicklungen mit Mitteln der Kunst zu reflektieren und Kunst im gesellschaftlichen Kontext zu verorten. Abseits der offiziellen Berichterstattung in den Massenmedien erschafft sie alternative Zugangsmöglichkeiten für eine Rezeption und macht scheinbar unsichtbare Aspekte des Phänomens Migration und ihre Folgen sichtbar.

Die auf den ersten Blick unterschiedlich erscheinende künstlerische Positionen und Praktiken, erscheinen in wechselseitiger Bezugnahme, reflektieren und ergänzen sich gegenseitig. Trotz unterschiedlicher, persönlicher Annäherungen zeigt sich, dass Kunst sich enger an unsere Wirklichkeit zu binden scheint, als wir annehmen.

Die Ausstellung knüpft an das Symposium sweet home an, das sich in wissenschaftlichen Vorträgen dem Thema Heimat interdisziplinär nähert. Die Folkwang Universität der Künste möchte auf diese zweifache Weise einen Beitrag zu aktuellen, politischen Diskursen leisten, gesellschaftliche Fragen aufwerfen und zum Nachdenken anregen.

 

Mit künstlerischen Projekten von:

Mohammad Ajul, Welat Baker, Ali Hamoutou, Kheder Abdul Karim und Saleh Nemr // im Erdgeschoss

Hozan Abdo, Claudius Dorner, Nafiseh Fathollahzadeh, Pia Kintrup, Andreas Langfeld und Cora Straßburg // im ersten Obergeschoss

Nachdem die Zahl der Ordensschwestern von ursprünglich weit über hundert auf weniger als dreißig gesunken war, entschieden sich die barmherzigen Schwestern der heiligen Elisabeth 2007, das Haus am Schuirweg 107 in Essen aufzugeben. Seitdem wurde das weitläufige Kloster in den letzten Monaten zu einer Unterkunft für Geflüchtete umgebaut. Die baulichen Maßnahmen veränderten nicht nur die Nutzung des Gebäudes, sondern auch dessen architektonische Grundstrukturen: aus sakral wird weltlich, aus Kirche wird temporärer Wohnraum, Gemeinschaftsbad und Küche. Claudius Dorner begleitet die Maßnahmen aus dokumentarischer Sicht. Die Anzeichen religiösen Lebens scheinen zunehmend unsichtbarer zu werden, tatsächlich aber bleiben viele über den Umbau hinaus sichtbar.

Claudius Dorner:
BA Student im Studiengang Fotografie // Folkwang UdK
„Schuirweg 17“, seit 2016
Inkjet-Prints, gerahmt

 

Ein Flüchtlingslager, Zwischenstation für Geflüchtete aus Albanien, Afghanistan und Syrien. Eine vorübergehende Unterkunft, Ausnahmezustand, der sich im sozialen Raum zu normalisieren scheint.

Mittels ihres partizipatorischen Ansatzes blickt Nafiseh Fathollazadeh durch den Blick von vier Kindern auf den Lebensalltag einer temporären Asylunterkunft in Düsseldorf. Selves greift dabei die individuellen Vorstellungen auf, deren Autorenschaft aber gleichzeitig in der Präsentationsform der gesamten Arbeit wieder in Frage stellt wird. Kollektive und persönliche Weltsichten werden verwoben.

Nafiseh Fathollazadeh:
MA Studentin im Studiengang Photography Studies and Practice // Folkwang Udk
„Selves“, 2017
digitale C-Prints, Projektion
mit Ali Moradi, Barosh Reka, Bessart Reka, Meryam Rasol

Landkarten sind seit Jahrtausenden politisch, ökonomisch und strategisch von großer Bedeutung. Landesgrenzen werden bis heute von Völkern konstruiert, verändert und verschoben. Die Grenzen und Landesmarkierungen erscheinen häufig imaginär, sie erfüllen aber auch das Bedürfnis nach Orientierung und Ordnung. Die Karte fixiert und verortet, während jedoch auch immer das Gegenteil eine drohende Auflösung der Ordnung bis ins Chaos hinein, entstehen kann. Landkarten fungieren als wichtige historische Zeugnisse der Zeit.

Diese Aspekte sind nur einige wenige Parallelen, die die Kartografie mit der Fotografie verbindet: Ihre vermeintlich objektive Abbildungstreue, ihre Möglichkeit der Transformation des Raums und ihre digitalisierten Bildgebungsverfahren.

Pia Kintrup:
MA Studentin im Studiengang Photography Studies and Practice // Folkwang Udk
„Landkarten“, 2016-2017
7 digitale C-Prints

Andreas Langfeld befasst sich mit dem Alltag Geflüchteter, die mit prekärem Aufenthaltsstatus in Deutschland leben. Sein intensiver Blick richtet sich auf Fragen der Anerkennung und Würde. Im Focus stehen vor allem Sinti und Roma und geflüchtete Menschen, die über Lampedusa ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Ihnen gemein ist, dass sie aufgrund ihrer Herkunft kaum Möglichkeiten auf ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erlangen können. Im Sinne einer künstlerischen Dokumentarfotografie brechen Langfelds fotografischen Blicke mit gewohnten Bildern über Flucht und Migration. Dabei bewahrt er eine medienreflexive Offenheit, die eine emanzipatorische Auseinandersetzung mit den Bildreihen einfordert.

Andreas Langfeld:
Absolvent Folkwang UdK
„Status“, 2013-2014
digitale C-Prints vom Negativ

Über eineinhalb Jahre hat Cora Straßburg Ahmad Houmsi auf dem Weg von seiner Wohnung in seine alte Flüchtlingsunterkunft begleitet. Die eine möchte er nicht bewohnen, solange seine Frau nicht bei ihm wohnt, in der anderen findet er Gemeinschaft und Freunde. In seiner Heimatstadt Aleppo war er als Schiedsrichter, Bademeister, Feuerwehrmann und Vater von sieben Kindern im gesellschaftlichen Leben der Stadt fest verwurzelt, bis ein Scharfschütze sein linkes Bein schwer verletzte, so dass er seine Heimat verlassen musste.

Seine gegenwärtige Wohn- und Lebenssituation wird in fotografischen Bildern, die durch Erinnerungsstücke aus seiner Vergangenheit ergänzt werden, erfasst. Sie spüren dem Leben eines Menschen nach, dessen Leben durch Krieg zerstört, aber nicht auf dieses Schicksal reduziert werden darf.

Cora Straßburg:
BA Studentin im Studiengang Fotografie // Folkwang UdK
„Verlängerung – Der Weg Ahmad Houmsis“, 2016
Inkjet-Prints, digitale und analoge C-Prints, Video

Copyright:
Ausstellungsansichten Claudius Dorner, Cora Straßbburg
Fotografien bei den jeweiligen Autor:innen